In Angelika Baeumerths „Oberursel am Taunus, Eine Stadtgeschichte“ kann man auf den Seiten 167-169 einiges über die Zuwanderer nach Oberursel, vor allem nach dem 30jährigen Krieg, erfahren.
Dem Zuzug der „Fulder“ im 19. Jahrhundert „aus den ärmeren heimischen Gegenden“ werden darin leider nur zwei Sätze gewidmet : …“ die vor allem in der Landwirtschaft eingesetzten Fulder aus dem Fuldaer Land“ und „Aus Magdlos bei Schlüchtern kamen alle Mädchen nach Oberursel.“ (wobei Magdlos eher zum katholischen Flieden/Fulda gehört(e) als zum evangelischen Schlüchtern).
Ich bin mir fast sicher, dass einige von Ihnen, die diese Zeilen jetzt lesen, sich vielleicht daran erinnern, aus den Gesprächen der Eltern, Groß- und Urgroßeltern den Begriff „Königreich Flieden“ * aufgeschnappt zu haben.
Es kamen damals nicht nur ein paar verarmte Tagelöhner oder „Auszüger“ wie sie oft in den standesamtlichen Urkunden genannt werden, in die aufstrebenden, zumeist katholisch geprägten Vordertaunusgemeinden wie Oberursel und Kirdorf. Es war ein regelrechter Strom von „Zuwanderern“ aus dem Fuldaer-Land der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Viele zog es in die Großstädte Südhessens, nach Frankfurt am Main, Offenbach, Hanau oder Darmstadt. Auch das Ruhrgebiet, als weiteres innerdeutsches Ziel, wurde von ihnen angesteuert. Die zunehmende Industrialisierung der Taunusgemeinden wie Oberursel, hatte eine beachtliche Sogwirkung auf diese osthessische Bevölkerungsgruppe. Es war schon eine regelrechte Landflucht der „kleinen Leute“ die damals versuchten für sich und ihre Familien eine neue Existenz am Main aber auch am Urselbach aufzubauen! Familiennamen wie Auth, Bagus, Bischoff, Braun, Büttner, Brell, Brehler, Firle, Gärtner, Heil, Herbert, Jahn, Junk, Krack, Krah, Klüh, Klug, Klüber, Kolb, Kullmann, Larbig, Möller, Müller, Nüchter und andere mehr (hier u.a. aus dem Oberurseler Adreßbuch von 1937) erinnern an sie.
Mein Urur-Großvater ISIDOR Müller den man auf dem Foto von ca. 1910 sitzend vor einem bescheidenen Häuschen erkennen kann, wurde 1835 in Flieden Bernthal geboren.
41 Jahre später, im Jahr 1876, kurz nach dem Tod seiner Mutter, verließ er mit seiner Frau Eleonore geb. Kolb und 4 Kindern seine Heimat „auf der Struth“ bei Flieden.
Die Wahl fiel auf Oberursel. Sicherlich, weil es hier bereits Cousins gab, die ihm dazu rieten, in die Stadt am Urselbach zu kommen. Gerne wäre er eigentlich nach Amerika ausgewandert. Doch dazu, so berichtete mir mein Großvater, reichte wohl das Geld in der damals spärlich gefüllten Familienkasse nicht aus…
Meine Müllers lebten in der Oberurseler Altstadt, am Hollerberg, in der Oberen Hainstraße und der Eppsteiner Straße. Mein Urgroßvater Magnus (1864 in Flieden geboren), heiratete 1889 in eine „Alt-Oberurseler“ Familie ein, verdiente sein Geld als Dreher bei der Motorenfabrik und baute in der Folge sein eigenes Haus. Er war in der neuen Heimat Oberursel „angekommen“.
Isidor starb 1912, 77-jährig, bei seiner jüngsten Tochter Katharina Hilse geb. Müller in Oberstedten.Eine Reihe seiner Nachfahren leben noch heute in Oberursel sowie in den Stadtteilen Bommersheim und Oberstedten.
* Königreich Flieden : siehe Wikipedia
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